Die Begünstigten bedanken sich

Von Nadya Moussa

Jeweils 5 Kilo Reis, Weizenmehl, Maismehl und Zucker, dazu noch 3 Kilo Bohnen und 3 Liter Öl, 1 Kilo Butterschmalz und noch einmal so viel Salz, sowie 500 Gramm Tomatenmark und 450 Gramm Teeblätter hat jede der 850 Familien erhalten, die zu Ramadan in Kenia bei der Verteilung der Ramadanhilfe berücksichtigt wurden. Die Lebensmittel wurden zu Beginn des Ramadan in den Countys Mombasa, Malindi, Kilifi und Tana River ausgegeben.

Vor der Übergabe der Ramadanhilfe an bedürftige Familien hatte es eine Zeit lang stark geregnet. Vor allem Siedlungen entlang der Flüsse Tana, mit 708km Länge der längste Fluss Kenias, und Athi-Galana-Sabaki, dem zweitgrößten Fluss, waren betroffen. Beide Flüsse führten Hochwasser und in den Tälern, durch die sie fließen, standen ganze Landstriche unter Wasser. Als Folge davon mussten viele Einwohner ihre Häuser verlassen.

Die Zakatul-Fitr wird immer erst in den letzten zehn Tagen des Ramadan ausgegeben, denn die Begünstigten sollen sie am Fest verwenden können. In den meisten Ramadanhilfeprojekten wird die Zakatul-Fitr als Reis verteilt. So haben auch zum Ende des vergangenen Ramadan hin noch einmal 10.000 Familien aus den Countys Tana River, Malindi, Kilifi, Mombasa und Kwale jeweils 2,5 Kilo Reis erhalten. Beides, Ramadanhilfe und Zakatul-Fitr, haben unsere Partner in einem Betrag erhalten, für das Projekt standen ihnen 52.439 € (CHF 58.813*) zur Verfügung.

Würde die Frage aufkommen, warum ausgerechnet in Kenia Lebensmittelverteilungen notwendig sind, wäre sie bestimmt berechtigt. Dem Land geht es gut. Die Wirtschaft ist die stärkste in ganz Ostafrika, es gibt viele private Schulen, Universitäten und Kliniken. Man investiert. Kenia ist ein politisch stabiles Land, das jedes Jahr mit einer hohen Anzahl von Touristen rechnen kann. Viele Kenianer leben vom Tourismus und sind auch direkt in der Branche beschäftigt, sei es als so genannte Guides, die Touristen aus dem Westen die „big five“ aus der Nähe zeigen – das sind Afrikanische Elefanten, Spitzmaulnashörner, Afrikanische Büffel, Löwen und Leoparden –, oder sie arbeiten im Hotel- und Gastronomiegewerbe.
 
Wie in jeder Gesellschaft gibt es auch in Kenia Menschen, die in Armut leben oder zumindest bedürftig sind. Das sind Beschäftigte des Niedrigsektors, wie die ansässigen Bauern und Fischer, aber auch Angestellte der Hotelbranche, nicht jeder kann schließlich Hotelier oder Geschäftsführer sein, es gibt die Reinigungskräfte, das Hilfspersonal in der Küche, die Zimmermädchen. Es sind aber auch Witwen mit ihren Waisen und Menschen mit Behinderungen, Alte und Kranke. Außerdem hängt es in Kenia nicht nur davon ab, in welcher Branche man beschäftigt ist, wenn man Arbeit hat, sondern auch in welchem Teil des Landes man lebt.

In Nairobi, der Hauptstadt, gibt es alles, liest man. Im Norden und an der Küste sieht es anders aus. Dürren und Überschwemmungen sind häufig; erst Ende 2016 hatte muslimehelfen im County Kilifi Hungerhilfe in Höhe von 35.843,00 € (CHF 40.200*) für 1.000 Familien finanziert. In 2017 wurden als Teil der Hungerhilfe Ostafrika vier weitere Projekte für insgesamt 214.221,00 € (CHF 240.259*) im Norden des Landes umgesetzt. Bauern, Viehhirten und -züchter und auch Fischer sind stark abhängig vom Wetter und der Natur. Hinzu kommen sich unlängst wieder häufende Angriffe der al-Shabab, die mal Fischer am Fischen hindern und mal Bauern auf ihren Feldern bedrohen. Wenn keine Touristen betroffen sind, liest man davon selten in ausländischen Medien. In der Landwirtschaft gibt es kein festes Gehalt; wenn Arbeit geleistet wird, wird sie entlohnt, wenn sie nicht geleistet wird, gibt es auch keinen Lohn. Schlimmer noch, wenn sich Bauern nicht auf ihre Felder trauen, weil sie um ihr Leben fürchten, und sie verpassen die Aussaat, dann haben sie im nächsten Jahr keine Ernte, die sie einfahren und verkaufen können, und auch kein Saatgut für eine neue Aussaat …

Weltweit hat jeder fünfte Mensch, der in Armut lebt, eine oder mehrere Behinderungen. Jedes Land geht anders mit seinen schwächsten Mitgliedern um. Rund zehn Prozent der Kenianer haben eine Behinderung. Kenia hat neben 43 anderen Staaten die UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderungen unterzeichnet. Die Regierung hat eigens einen Fonds für soziale Sicherheit eingeführt. 47.000 Familien stehen nun monatlich umgerechnet etwa 17 € (CHF 19*) zur Verfügung. Natürlich ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dienste und Dienstleistungen wären besser, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind, auch schon für Kinder, die oft nicht einmal zur Schule gehen können.  

Generell müsste das Schulsystem trotz der vielen Privatschulen reformiert werden. Es sind zu wenige Mittel verfügbar; nur der Grundschulunterricht von der ersten bis einschließlich der achten Klasse ist für die Schüler gebührenfrei, seit dem Frühjahr 2017 teilweise auch einige weiterführenden Schulen. Dennoch müssen Lehrer bezahlt werden, aber die Bezahlung an staatlichen Schulen ist schlecht. Kostenfreie Schulen bedeuten hoffnungslos überfüllte Klassen, die ein einziger Lehrer betreut. Die Folge sind Lehrerstreiks. Hinzu kommt wieder der regionale Faktor: Lehrer, die in einem Dürregebiet leben, leiden wie alle anderen unter den Folgen. Hunger führt zu Unkonzentriertheit, Zeugnisse werden nicht ordnungsgemäß ausgestellt, Prüfungen nicht vernünftig abgenommen, der Unterricht nicht ordentlich vorbereitet. Leidtragende sind vor allem die Schüler.

Trotz aller Schwierigkeiten lebt in Kenia eine starke Gemeinschaft. Fast 50 Millionen Einwohner zählt das Land aus über 40 verschiedenen ethnischen Gruppen mit seinen eigenen Sprachen oder Dialekten, einem eigenen Kunsthandwerk, selbst die Architektur unterscheidet sich. Die meisten Kenianer sind Christen. Es gibt eine asiatische Gemeinschaft, die sich mehrheitlich zum Hinduismus bekennt. Entlang der Küste haben sich hauptsächlich Muslime niedergelassen, eine somalische Minderheit lebt im Nordosten an der Grenze zu Somalia. Hinzu kommen weitere Somali, die in Flüchtlingslagern im Norden zusammen mit Flüchtlingen aus dem Südsudan untergekommen sind. Laut des UNHCR hat nur Äthiopien als einziges afrikanisches Land mehr Flüchtlinge aufgenommen als Kenia. Doch mit Dadaab, vier Flüchtlingslagern, die weltweit den größten Komplex für Flüchtlinge bilden, beherbergt Kenia über 230.000 Geflüchtete an einem Ort.

In Afrika könnte man müde lächeln über die Europäer, die ihre Länder von Flüchtlingen überrannt sehen und um ihre Steuergelder fürchten. Denn kein anderer Kontinent beheimatet mehr Geflüchtete als der afrikanische, und das obwohl gar nicht so viele Ressourcen zur Verfügung stehen wie hier. Erst kürzlich hat sich sogar der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, dazu geäußert, der meinte, er könne in Europa nicht wirklich eine Flüchtlingskrise erkennen.

Vielleicht haben wir hier auch einfach schon vergessen, was es bedeutet zu leiden. Früher nannte man es darben – einen Mangel haben –, heute wird das Wort nicht mehr gebraucht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die meisten afrikanischen Länder Vielvölkerstaaten sind. Man muss miteinander auskommen; natürlich ist das nicht immer leicht. Das ist so ähnlich wie in einer großen Familie. Und als Muslime sehen wir unsere Mitmenschen als unsere Geschwister an, wir nennen sie Bruder und Schwester.

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* Stand: 05.04.2019

Ramadanhilfe 2018 in Kenia

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